Geschichte des Instituts
Geschichte des Instituts für Psychologie

Hermann Ebbinghaus, der wohl berühmteste bisher in Halle tätige Psychologe, sagte einmal über die Psychologie:
Sie "hat eine lange Vergangenheit, doch nur eine kurze Geschichte".
Dies gilt insbesondere für das Institut für Psychologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, denn man findet in der Geschichte der „Alma mater halensis et vitenbergensis" mehrere Vorboten einer wissenschaftlich betriebenen Psychologie. So führte der hallesche Philosoph Christian Wolff durch die beiden Werke „Psychologica empirica" und „Psychologica rationalis" 1732 den Begriff der „Psychologie" in den wissenschaftlichen Diskurs ein. Ein weiterer Philosoph, Christian Thomasius, unternahm erste empirische Studien zur Psychologie des Individuums, indem er verschiedene Persönlichkeitsmerkmale (z.B. Ehrgeiz, Geldgeiz) postulierte und diese aus den Beurteilungen seiner Studierenden erschloss. Aber auch die halleschen Gelehrten Johann Gottlob Krüger (1756: ‚Versuch einer Experimental-Seelenlehre‘), Ludwig Heinrich Jakob (1791: ‘Grundriss der Erfahrungs-Seelenlehre‘) und Johann Gebhardt Ehrenreich Maas (1805 ‚Über die Leidenschaften‘, 1811 ‚Über die Gefühle‘) trugen zur Etablierung der Psychologie als universitärem Fach in Halle bei.
Ab dem Sommersemester 1822 fanden sich Vorlesungen psychologischen Inhaltes im Vorlesungsverzeichnis. So hielt beispielsweise Johann Eduard Erdmann Vorlesungen mit dem Titel: „Grundriss der Psychologie“. Carl Stumpf, der spätere Begründer der Psychologie in Berlin, führte seine Studien zur Tonpsychologie von 1884 bis 1889 in Halle weiter. Hier begann er zudem seine kulturvergleichende Musikforschung an den Gesängen indigener Völker Kanadas (Nuxalk, First Nations).
Im Jahre 1891 schlug schließlich mit der Gründung eines Psycho-Physischen Apparates durch Benno Erdmann (1890-1898) die Geburtsstunde der institutionalisierten Psychologie an der halleschen Universität. Halle gehört somit zu einer der frühen akademischen Gründungen der Psychologie im Deutschen Reich. Erdmanns amerikanischer Doktorand Raymond Dodge, der später Professor der Yale-University und 25. Präsident der American Psychological Association (APA) wurde, entwickelte für seine Lese-Untersuchungen 1893 in Halle eine Frühform des Tachistoskopen. Nach dem Weggang von Erdmann nach Bonn (unter Mitnahme des Psycho-Physischen Apparates) wurde eine Psycho-Physische Sammlung bis 1931 weitergeführt und dann in ein Psychologisches Seminar überführt. Namhafte Wissenschaftler wie Alois Riehl (1898-1905), Hermann Ebbinghaus (1906 -1909), Ernst Meumann (1909/10), Felix Krüger (1910-1917), Theodor Ziehen (1917-1930) und Adhémar Gelb (1931-1933) führten die Psychologie in Halle weiter. Gelb, der ein Mitbegründer der Neuropsychologie war, verlor aufgrund von NS-Repressalien seine Professur. Fritz Giese führte von 1921 bis 1923 erste Untersuchungen zur Psychotechnik und Eignungsprüfung in Halle durch und hatte einen Lehrauftrag für Wirtschaftspsychologie inne. Der vakante Lehrstuhl wurde während der NS-Zeit von Otto Schultze (1934/35), Heinrich Schole (1935/36) und Wolfgang Metzger (1937/38) vertreten. Erst 1938 wurde Halle nun als Psychologisches Institut (1939) wieder mit einer festen Professur mit Johannes von Allesch bis 1941 besetzt. Kurt Wilde und Albert Wellek waren während der letzten Kriegsjahre von 1942-1945 Professoren der Psychologie in Halle.
Nach dem 2. Weltkrieg lag Halle im Gebiet der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone bzw. ab 1949 in der DDR. 1946 trat Gerhard Möbus eine Stelle als Professor für Psychologie an. Aufgrund seiner kritischen politischen Haltung gegenüber der DDR-Pädagogik, verließ er 1950 die DDR und ging nach Westdeutschland. 1955 wurde das Institut für Psychologie in die Abteilung Pädagogische Psychologie innerhalb einer Philosophischen Fakultät umgewandelt, da alle Pädagogische Fakultäten in der DDR aufgelöst wurden. Nach einigen Übergängen wurde 1952 der Pädagogische Psychologe Friedrich Winnefeld berufen, der seine empirisch-gestaltorientierte Psychologie an den Erfordernissen der Unterrichtspraxis ausrichtete, was ihn 1962 in politischen Widerspruch brachte. Seine feld-dynamische Auffassung von Persönlichkeit ließ sich nach Meinung der SED-Universitätsleitung nicht mit dem sozialistischen Menschenbild vereinbaren. Nach der 3. Hochschulreform in der DDR 1967/68 wurden die Fakultäten in Sektionen umgewandelt. In den 1970er und 1980er Jahren wurde die Pädagogische Psychologie im Bereich der Lehr-Lernforschung unter Ernst Gorny, Harry Falkenhagen und ihren Mitarbeitenden fortgeführt. 1987 wurde der Wissenschaftsbereich Psychologie innerhalb der Sektion Erziehungswissenschaften geschaffen. Kontinuität in der Pädagogisch-psychologische Forschung wurde nach der Wende unter Hartmut Knopf und Christoph Gallschütz z.B. im Bereich der Erforschung der Aggressivität bei Jugendlichen gewährleistet. 1998 wurde Claudia Dalbert Professorin der Pädagogischen Psychologie am Institut für Pädagogik (bis 2016).
1995 wurde das Institut für Psychologie in Halle wiedergegründet. Die ersten Professoren waren Bernd Six, bis 2010 (Sozial- und Organisationspsychologie), Peter Borkenau, bis 2015 (Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik), Josef Lukas, bis 2016 (Allgemeine Psychologie), Axel Schölmerich, bis 1996, 2002-2006 Frieder Lang (Entwicklungspsychologie), Monika Hasenbring, bis 1997, ab 1999 Bernd Leplow, bis 2018 (Biologische und Klinische Psychologie), ab 1999 Dieter Heyer, bis 2012 (Methodenlehre).
Gegenwärtig sind folgende Professuren in Halle am Institut für Psychologie vertreten:
Renate Rau (Arbeits- Organisations- und Sozialpsychologie) seit 2011
Torsten Schubert (Allgemeine Psychologie) seit 2016
René Proyer (Psychologische Diagnostik und Differentielle Psychologie) seit 2018
Ronny Redlich (Biologische und Klinische Psychologie) seit 2020
Markus Spitzer (Kognitionspsychologie und digitales Lernen) seit 2023
Am Institut für Pädagogik:
Pablo Pirnay-Dummer (Pädagogische Psychologie) seit 2018
Maja Schachner (Pädagogische Psychologie mit dem Schwerpunkt Sozialisation und Kultur) seit 2020
Literatur: Wolfradt, U., Kaiser-El-Safti, M. & Brauns, H,-P. (Hrsg) (2010). Hallesche Perspektiven auf die Geschichte der Psychologie. Hermann Ebbinghaus und Carl Stumpf. Lengerich: Pabst.