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Projekt 5 (DFG RA 745/3-1)

Ambulantes psychophysiologisches 24-Stunden-Monitoring zur Erfassung von arbeitsbezogenen Stimmungen und Emotionen

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Drittmittelgeber:
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Antragsteller:
Bearbeiter:
Kooperation:
Laufzeit:
Emotionen
DFG: RA 745/3-1
DFG
bewilligt/ mit Forschungsbericht beendet
Dr. rer. nat. Renate Rau
Dipl.-Psych. Stefan Riedel
Dipl.-Psych. Ante Triemer
10/99 bis 9/2001 (½ BAT IIa)

Abstrakt

Hintergrund: Psychologische Arbeitsgestaltung hat zum Ziel, persönlichkeits- und gesundheitsförderliche Arbeit zu gestalten. In Umsetzung dieses Zieles, beschäftigt sie sich jedoch hauptsächlich mit der Vermeidung von Fehlbeanspruchungen wie Stress, Ermüdung etc. Persönlichkeits- und gesundheitsförderliche Arbeit setzt voraus, daß diese seitens des Arbeitnehmers positiv erlebt wird. Das Erleben wird zwar erfaßt, aber weniger um etwas über positives emotionales Erleben zu erfahren als vielmehr über die aktuelle Beanspruchung (als Konzentrationsfähigkeit, Müdigkeit, Gereiztheit, Langeweile, etc.). Ursache könnte sein, daß Arbeitsgestaltung meistens auf der Grundlage des Handlungsregulationsmodells durchgeführt wird, wobei i.d.R. auf eine wesentliche, u.a. antriebs- beeinflussende Komponente der Handlungsregulation, auf die Emotion, verzichtet wird.

Ziel der Arbeit war es daher, vorliegende Daten einer erweiterten Analyse hinsichtlich der während der Arbeitstätigkeit vorherrschenden Stimmungen (bezogen auf die Gesamt- und Teiltätigkeiten) und des aufgetretenen FLOW-Erlebens sowie von Emotionen zu unterziehen. Grundlage der Auswertung sollen die Modelle der positiven und negativen Affektivität (Watson & Tellegen, 1985) und des FLOW-Erlebens (Csikszentmihalyi, 1991) sein.

Methoden: Für die Klärung der Fragestellung standen die Daten von 118 Männern und 124 Frauen 1 zur Verfügung, die alle an einem 24-stündigen Monitoring von aktuellem Erleben, Herzfrequenz, Blutdruck und Bewegungsaktivität teilnahmen. Das 24-Stunden- monitoring fand dabei an einem Arbeitstag statt. Die Tätigkeiten der Probanden wurden im Rahmen einer objektiven Arbeitsanalyse (TBS_GA: Rudolph et al., 1987) und einer subjektiven Arbeitsanalyse (FIT: Richter et al., 1996; Fragebogen zu sozialen Stressoren am Arbeitsplatz: Frese & Zapf, 1987) bewertet. Weiterhin wurden habituelle Verhaltensmuster und Persönlichkeitseigenschaften erfaßt. Das aktuelle emotionale Erleben wurde über 11 Items (stündlich pocketcomputergestützt) erfaßt und die jeweiligen Item-Antworten wurden für jeden Meßzeitpunkt in ein 2-dimensionales Modell aus Positivem Affekt und aktueller Stimmung eingeordnet.

Ergebnisse für die untersuchten 118 Männer 1 :

  • Beschäftigte in Arbeitstätigkeiten, die mittels objektiver Arbeitsanalyse hinsichtlich der Merkmalsgruppen technisch-/ organisatorische Bedingungen, Verantwortung und Lernerpotential als sehr gut gestaltet zu bewerten sind, weisen einen stärkeren positiven Affekt, eine bessere aktuelle Stimmung und eine geringere   Beanspruchung während der Arbeit auf als Beschäftigte mit schlechter gestalteten Arbeitstätigkeiten. Die physiologische Aktivierung während der Arbeit unterschied sich nicht in Abhängigkeit von der Tätigkeitsgestaltung.
  • Unabhängig von der Tätigkeitsgestaltung ging eine Ausdehnung der Arbeitszeit über den 8-Stundentag hinaus mit einer Absenkung des positiven Affektes während und nach der Arbeit (d.h. in der Obligationszeit, Freizeit und unmittelbar vor dem zu Bett gehen) sowie einer Verringerung der erlebten Kontrolle während der Arbeit einher.
  • Je mehr soziale Stressoren von den Beschäftigten für ihren Arbeitsplatz angegeben wurden (subjektiven Arbeitsanalyse) desto geringer war ihr positiver Affekt und desto schlechter war ihre aktuelle Stimmung während der Arbeit.
  • Auf der Ebene der Teiltätigkeiten zeigen sich intraindividuelle Unterschiede nur in der physiologischen Aktivierung, nicht aber dem emotionalen Erleben zwischen Teiltätigkeiten, die sich im Ausmaß der erforderlichen sozialen Interaktionen unterschieden.
  • Als besondere Form positiven emotionalen Erlebens wurde das positive Arbeitserleben im FLOW-Quadranten untersucht. Tätigkeiten von Personen, bei denen positives Arbeitserleben im FLOW-Quadranten auftrat, waren besser gestaltet (d.h. gute Gestaltung der TBS-Merkmalsgruppen: technisch/organisatorische Bedingungen und Verantwortung sowie der Gesamtgüte der Tätigkeit) als Tätigkeiten von Personen ohne positives Arbeitserleben im FLOW-Quadranten. Außerdem gaben Personen mit positivem Arbeitserleben im FLOW-Quadranten im Rahmen der subjektiven Arbeitsanalyse größere Tätigkeitsspielräume an und wiesen ein höheres Erfolgserleben im Beruf auf als Personen ohne positives Arbeitserleben im FLOW-Quadranten. Außerdem waren Personen mit positivem Arbeitserleben im FLOW-Qua- dranten unmittelbar nach der Arbeit weniger müde (psychische Ermüdung) als die Personen ohne positives Arbeitserlevben.
  • Das aktuelle emotionale Erleben wurde in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Erhebung (Mittelwert über einen Zeitabschnitt vs. Einzelmessung) unterschiedlich durch habituelle Verhaltensmerkmale beeinflußt. So bestand für die Planungsambitionen unabhängig vom Zeitpunkt der Messung ein positiver Zusammenhang zum positivem Affekt und zur aktuellen Stimmung. Es scheint hier also eher ein dispositioneller Zusammenhang vorzuliegen. Dagegen spiegelte sich eine starke Erholungsunfähigkeit in einer schlechteren aktuellen Stimmung während der Arbeit und nur am Ende der Arbeit in einem geringerem positiven Affekt wider. Hier besteht also eine starke Beziehung zwischen dem habituellen Handlungsmuster und dem Erleben von situativen Bedingungen (Arbeitsbelastung).
  • Palliative Copingstile wiesen ausschließlich negative Zusammenhänge zum emotionalen Erleben auf, d.h. die Bevorzugung dieser Copingstile ging mit einem abnehmenden positiven Affekt und einer schlechteren aktuellen Stimmung während der Arbeit einher. Hingegen standen problemorientierte Copingstile mit einem positiven emotionalen Erleben in Beziehung.

Schlußfolgerungen: Eine nach den Kriterien der objektiven Arbeitsanalyse sehr gut bewertete Arbeitsgestaltung enthält das Potential für ein positives emotionales Arbeitserleben bis hin zu FLOW-Erleben. Eine Ausdehnung der Arbeitszeit über den 8-Stundentag hinaus sollte vermieden werden, da sich diese unabhängig von der Güte der Arbeitsgestaltung negativ im emotionale Erleben abbildet und so letztlich die Leistungsfähigkeit verringern kann. Der negative Effekt verlängerter Arbeitszeiten ist sogar noch nach Beendigung der Arbeit nachweisbar, was als Beeinträchtigung des Erholungsprozesses zu bewerten ist.


1 Weiterhin standen die Daten von 124 Frauen zur Verfügung. Die Ergebnisdarstellung und Diskussion befindet sich in der Dissertationsschrift von Triemer (2001).

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