Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Projekt 3 (DFG RA 745/2-1)

Untersuchung der Beziehungen zwischen Arbeitsbelastung, Rückstell-Prozessen und kardiovaskulären Gesundheitsrisiken

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Status:


Antragsteller:
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Laufzeit:
"Recovery"
DFG: RA 745/2-1

DFG
bewilligt/ mit Forschungsbericht als Zwischenbericht abgeschlossen sowie erweiterter Fragestellung verlängert (siehe Projekt 4)
Dr. rer. nat. Renate Rau
Dipl.-Psych. Manuela Pötzsch
11/97 bis 10/99 (½ BAT IIa)

Abstrakt (=Zusammenfassung aus dem Zwischenbericht)

Die vorliegende Arbeit ging der Frage nach, ob es einen Carryover - effect arbeitsbedingter Belastungen auf die Zeit nach der Erwerbsarbeit einschließlich der Zeit des nächtlichen Schlafs gibt. Hintergrund dieser Frage war, daß bisher verschiedene arbeitsbedingte Belastungen als Risiko für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen diskutiert wurden, daß aber nur selten ein vollständiger Arbeits - Erholungszyklus untersucht wurde. Als Risiken werden insbesondere eine hohe Arbeitsintensität, mangelnde Handlungs- und Entscheidungsspielräume, hoher Wiederholungsgrad gleicher Tätigkeiten, unvollständige Tätigkeitsstrukturen, geringe soziale Unterstützung und geringe Gratifikation gesehen. Diese Risiken fanden Eingang in den verschiedensten theoretischen Modellen zur Erklärung der Entstehung eines beeinträchtigten Wohlbefindens und von Fehlbeanspruchungsfolgen (Belastungs - Beanspruchungs- Modell von Rohmert, 1984; Modell der aktiven Auseinandersetzung mit Tätigkeiten von Hacker, 1991) sowie zur Krankheitsentstehung ("Job Demand/Control Model" von Karasek & Theorell, 1990; Modell der Gratifikationskrisen von Siegrist, 1990). Obwohl wiederholt die o.g. arbeitsbedingten Belastungen im Zusammenhang zur Risikoentwicklung für kardiovaskuläre Erkrankungen diskutiert wurden, blieb die Frage von Pickering (1993) nach einem Carryover-effect arbeitsbedingter Belastungen auf die Beanspruchung in der Zeit nach der Erwerbsarbeit einschließlich der Zeit des nächtlichen Schlafs weitgehend ungeklärt. Daher wurden im Rahmen eines 24-stündigen ambulanten Monitorings von 52 gesunden männlichen Arbeitnehmern die Arbeitsanforderungen und die be- und entlastenden Anteile der Zeit nach der Erwerbsarbeit analysiert und bewertet. Zu den Anforderungen wurde mittels eines Pocketcomputers (PSION 3a) aktuell das Erleben sowie über Fragebögen subjektive Bewertungen der Anforderungen, Bewertungen von Schlaf und Erholung sowie habituelle Verhaltensweisen erfaßt. Zusätzlich erfolgte über 24 Stunden die Aufzeichnung kardiovaskulärer Daten (Blutdruck und Herzfrequenz).
Im Ergebnis konnte sowohl für die belastenden Arbeitsanforderungen Arbeitsdruck (Überstunden) und Leitungstätigkeit als auch für positive Effekte der Arbeitsgestaltung (wie vollständige Tätigkeitsstrukturen, hoher Entscheidungs- und Handlungsspielraum, etc.) ein Carryover-effect gezeigt werden. Während belastende Arbeitsanforderungen zu einer erhöhten kardiovaskulären Aktivierung während und nach der Erwerbstätigkeit sowie zu einer geringeren Rückstellung führten, wiesen Arbeitnehmer an gut (lern- und gesundheitsförderlich) gestalteten Arbeitsplätzen eine umfassendere kardiovaskuläre Rückstellung auf. Arbeitsdruck in Form von Überstunden führte darüber hinaus zu einer verschlechterten Stimmung (hoher negativer Affekt), einem geringeren Positiven Affekt und war mit einer starken (z.T. auffälligen) Erholungsunfähigkeit assoziiert. Außerdem war Überstundenarbeit mit einer veränderten Tagesstruktur verbunden. So wurde der Zeitanteil an Erwerbsarbeit zu Lasten der Zeit für Haus-, Sozialarbeit und beruflicher Weiterbildung erhöht.

Die vorliegenden Ergebnisse stützen die Forderung nach einer Belastungs-Beanspruchungsanalyse, die über die Erwerbsarbeit hinaus auch die Zeit nach der Erwerbsarbeit und die nächtliche Erholung einschließt. Trotz der veränderten Arbeitswelt, die die psychophysiologische Untersuchung von Arbeitnehmern während der Arbeit und die Kontrolle vorhandener Standards und Normen (ISO 10075, 1991 und ISO 10075-2, 1994) erschwert, läßt sich vermittelt über den Carryover-effect arbeitsbedingter Belastungen eine Beanspruchungsanalyse durchführen. Voraussetzung ist die differenzierte Betrachtung der Zeit nach der Erwerbsarbeit zur Ermittlung be- und entlastender Anforderungen.

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